Ein Apfel, der über den Zaun hängt, duftet verlockend. Doch darf man ihn einfach pflücken? Kaum ein Thema sorgt im Garten so oft für Diskussionen wie das Obst vom Nachbarbaum. Zwischen Eigentumsrecht, Nachbarschaftsgefühl und gesunder Vernunft ist Fingerspitzengefühl gefragt. Wer die Regeln kennt, vermeidet Streit – und kann die Erntezeit entspannt genießen.
Hier erfährst du, was das Nachbarrecht 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz dazu sagt, und wie du mit kleinen Gesten ein gutes Miteinander im Garten pflegst.
Wem gehört das Obst am Baum
Grundsätzlich gilt: Das Obst gehört dem Eigentümer des Baumes, also dem, auf dessen Grundstück der Stamm steht.
Selbst wenn die Äste über den Zaun ragen, bleibt das Obst rechtlich Eigentum des Nachbarn.
Das bedeutet:
- Du darfst herüberhängendes Obst nicht pflücken, solange es noch am Baum hängt.
- Erst wenn es von selbst herabfällt, darfst du es unter bestimmten Bedingungen aufsammeln.
Tipp: Freundlich nachzufragen, bevor man pflückt, ist immer die beste Lösung – meist freut sich der Nachbar, wenn er etwas abgeben kann.
Herüberhängende Äste und Wurzeln
Wenn ein Baum oder Strauch über die Grundstücksgrenze wächst, darf der betroffene Nachbar verlangen, dass die überhängenden Äste oder Wurzeln entfernt werden.
Das regeln die Nachbarrechtsgesetze der einzelnen Bundesländer bzw. Kantone.
Allerdings gilt:
- Der Eigentümer muss die Möglichkeit bekommen, selbst zu schneiden.
- Erst wenn er nach einer angemessenen Frist nicht reagiert, darf man selbst zur Schere greifen – aber nur, soweit es zur Beseitigung der Beeinträchtigung nötig ist.
Wichtig: Das gilt nicht, wenn durch das Schneiden der Baum gefährdet würde – dann ist vorher fachlicher Rat einzuholen.
Gefallenes Obst – darf man es behalten
Sobald das Obst von allein auf dein Grundstück fällt, darfst du es in der Regel behalten und essen.
Juristisch spricht man hier von Eigentumsverlust durch natürlichen Abfall – das Obst gehört niemandem mehr, sobald es den Baum verlassen hat.
Aber:
- Nur wenn die Früchte wirklich selbst herunterfallen
- Nicht, wenn sie abgeschüttelt oder gepflückt werden
- Und nur, wenn sie auf deinem Grundstück landen – nicht auf dem Gehweg oder der Straße
In Deutschland und Österreich ist diese Regel gängige Praxis. In der Schweiz sieht das Zivilgesetzbuch (Art. 687 ZGB) ausdrücklich vor, dass „herabgefallene Früchte dem Eigentümer des Bodens gehören, auf den sie gefallen sind“.
Tipp: Auch wenn du das darfst – ein kurzer Hinweis an den Nachbarn ist höflich und fördert das gute Verhältnis.
Grenzabstände für Obstbäume
Viele Konflikte entstehen, weil Obstbäume zu nah an der Grundstücksgrenze stehen.
Die zulässigen Abstände sind in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer geregelt – sie variieren je nach Baumart:
- Hochstamm-Obstbäume: meist 2 bis 4 Meter Abstand
- Niedrigstämmige oder Buschbäume: 1 bis 2 Meter
- Beerensträucher oder kleine Pflanzen: 0,5 Meter
In Österreich und der Schweiz gelten ähnliche Vorgaben – oft sind sie in Gemeindesatzungen oder kantonalen Bauordnungen festgehalten.
Tipp: Wer neu pflanzt, sollte den Abstand großzügig wählen – Bäume wachsen schneller als man denkt.
Ernten mit Rücksicht
Manchmal hängt die schönste Frucht genau über dem Zaun. Dann hilft meist ein freundliches Gespräch mehr als jedes Gesetz.
Ein einfaches Prinzip sorgt für Frieden:
- Erst fragen, dann pflücken
- Teilen statt streiten – eine kleine Tüte Äpfel oder Kirschen für den Nachbarn wirkt Wunder
- Klare Absprachen bei gemeinsamer Pflege oder Ernte
Wer auf gute Nachbarschaft setzt, erntet am Ende mehr als nur Obst.
Alte Bäume und neue Nachbarn
Ein häufiger Streitpunkt: Der Baum stand schon lange, bevor die neuen Nachbarn einzogen.
Hier gilt: Wenn der Baum rechtmäßig gepflanzt wurde und die Verjährungsfrist abgelaufen ist (je nach Bundesland 5 bis 10 Jahre), kann der neue Nachbar keinen Rückschnitt mehr verlangen, solange keine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt.
Das schützt alte, wertvolle Obstbäume und fördert eine tolerante Nachbarschaft.
Tierische Helfer bei der Ernte
Nicht nur Menschen lieben Obst – auch Vögel, Igel und Insekten freuen sich über reife Früchte. Wer also einige Äpfel oder Pflaumen liegen lässt, unterstützt die natürliche Artenvielfalt im Garten.
Gerade Fallobst kann als Nahrung für Tiere oder als Kompostgrundlage dienen.
Tipp: Befallene Früchte lieber nicht liegen lassen, da sie Schädlinge oder Pilze anziehen können.
Nachhaltige Ideen für gemeinsames Ernten
In vielen Gemeinden gibt es inzwischen „Obst teilen“-Initiativen. Sie fördern das gemeinsame Nutzen von Streuobstwiesen oder alten Obstbäumen – ganz ohne Streit.
Auch Plattformen wie Mundraub.org (Deutschland), Obstgarten.ch (Schweiz) oder Obstbörse.at (Österreich) zeigen, wo man legal und kostenlos ernten darf.
So bleibt kein Apfel ungenutzt, und das Ernten wird zu einem Gemeinschaftserlebnis.
Fazit
Obst vom Nachbarbaum ist ein sensibles, aber lösbares Thema. Wer die rechtlichen Grenzen kennt, Rücksicht zeigt und offen kommuniziert, vermeidet Ärger und fördert das Miteinander.
Ein kurzer Austausch über den Zaun, ein paar geteilte Äpfel oder ein gemeinsames Glas Apfelsaft – oft ist das der beste Weg zu guter Nachbarschaft.