HERBSTZEIT IST IGELZEIT: VORBEREITUNG AUF DEN WINTERSCHLAF UND WIE IHR GARTEN LEBEN RETTET

Die Ankunft des Herbstes signalisiert dem Igel, dass seine letzte, lebenswichtige Mission beginnt: das Sammeln von Fettreserven und das Bauen eines frostsicheren Nestes. Der Winterschlaf, eine faszinierende biologische Meisterleistung, ist die einzige Möglichkeit für diese stacheligen Insektenfresser, die kalte Jahreszeit ohne Nahrung zu überdauern. Doch der moderne, oft zu aufgeräumte Garten wird für viele Igel zur tödlichen Falle. Ohne Laub, Reisig und ungestörte Ecken finden die Tiere weder ausreichend Futter noch den nötigen Schutz. Die Verantwortung, diese natürlichen Schädlingsbekämpfer zu schützen, liegt somit direkt bei uns.

Das Überleben der Igel, insbesondere der Jungtiere, ist in Mitteleuropa akut gefährdet. Schätzungen zufolge überleben bis zu siebzig Prozent der spät geborenen Jungigel den ersten Winter nicht. Die Hauptursache ist nicht nur die Kälte, sondern das Fehlen geeigneter Quartiere und Nahrung. Jeder Garten, egal wie klein, kann durch einfache Maßnahmen zu einem wichtigen Rückzugsort und einer lebensrettenden Futterstelle werden.

Dieser umfassende Leitfaden beleuchtet die faszinierende Biologie des Winterschlafs, identifiziert die Hauptgefahrenquellen im Herbst und liefert konkrete Anweisungen, wie Sie den Igeln helfen können, die kritische Gewichtsgrenze zu überschreiten und sicher in den Schlaf zu finden.

Die Biologie des Winterschlafs: Ein Überlebenstrick

Der Winterschlaf ist kein gewöhnlicher Schlaf, sondern ein Zustand tiefgreifender metabolischer Verlangsamung, die dem Igel das Überleben ohne Nahrungsaufnahme ermöglicht.

Metabolische Verlangsamung: Herzschlag und Temperatur

Um Energie zu sparen, fährt der Igel seinen gesamten Organismus drastisch herunter.

  • Temperatursturz: Die Körpertemperatur des Igels, normalerweise um die 36 Grad Celsius, sinkt auf nur 5 bis 10 Grad Celsius ab. Nur die Wärmeisolation des Nestes und die Fettreserven verhindern ein Erfrieren.
  • Reduzierte Frequenz: Der Herzschlag verlangsamt sich von etwa 200 Schlägen pro Minute auf nur etwa 2 bis 12 Schläge. Die Atmung reduziert sich ebenfalls auf wenige Atemzüge pro Stunde.

Die kritische Gewichtsgrenze: Warum 600 Gramm entscheiden

Die im Herbst angefressenen Fettreserven sind die einzige Energiequelle, die dem Igel den monatelangen Winterschlaf ermöglicht.

  • Überlebensgewicht: Als Faustregel gilt, dass Igel vor dem Einwintern mindestens 600 Gramm wiegen müssen. Jungtiere, die spät im Jahr geboren werden, erreichen dieses Gewicht oft nicht rechtzeitig.
  • Fett als Treibstoff: Das gespeicherte Fett wird während der Wintermonate langsam verbrannt. Sollte der Igel durch Kälteeinbrüche aufwachen, verbraucht er die Reserven explosionsartig, um seine Körpertemperatur wieder zu erhöhen.

Zeitpunkt und Dauer des Winterschlafs

Der genaue Beginn und die Dauer des Winterschlafs sind abhängig von den lokalen Klimabedingungen und dem Nahrungsangebot.

  • Auslöser: Ausgelöst wird der Schlaf durch sinkende Außentemperaturen und das knapper werdende Nahrungsangebot. In Mitteleuropa beginnt der Schlaf meist zwischen Ende Oktober und Dezember.
  • Dauer: Der Winterschlaf kann drei bis sechs Monate dauern. Die Igel wachen jedoch zwischendurch kurz auf, um Kot abzusetzen oder ihre Nestisolation zu überprüfen.

Der Gefährliche Herbst: Bedrohungen im modernen Garten

Der moderne, durchgestylte Garten ist voller Gefahren, die der Igel bei seiner Futtersuche und Nestsuche oft nicht umgehen kann.

Die Falle der Ordentlichkeit: Der Kampf gegen Laub und Reisig

Die Liebe zur Ordnung wird für den Igel zur Lebensgefahr, da seine natürlichen Überwinterungsquartiere vernichtet werden.

  • Natürliche Isolation: Igel bauen ihre Nester hauptsächlich aus Laub, Gras und Reisig unter Hecken oder in Holzstapeln. Eine dicke Schicht Laub isoliert die Nestkammer optimal und hält die Temperatur stabil.
  • Kahle Gärten: Aufgeräumte, gemähte und von Laub befreite Gärten bieten diese essenziellen Baumaterialien und Verstecke nicht. Der Igel ist dann gezwungen, an ungeschützten Orten zu überwintern, wo er erfriert oder leichte Beute wird.

Die Unsichtbare Gefahr: Pestizide, Schneckenkorn und ihre Folgen

Der Igel ist direkt und indirekt von Giften in seinem Lebensraum betroffen.

  • Sekundärvergiftung: Der Igel ist ein natürlicher Schädlingsbekämpfer. Frisst er jedoch Schnecken oder Insekten, die mit Schneckenkorn oder Pestiziden vergiftet wurden, nimmt er das Gift in tödlicher Dosis auf.
  • Nahrungsknappheit: Der Einsatz von Insektiziden reduziert zudem die Anzahl seiner natürlichen Beutetiere Käfer, Larven, Würmer massiv, was die lebenswichtige Gewichtszunahme im Herbst erschwert.

Technische und manuelle Gefahren: Rasenmäher, Laubsauger und Gruben

Manche Gefahren sind durch mangelnde Aufmerksamkeit des Menschen verursacht.

  • Laubsauger und Häcksler: Sie sind eine unmittelbare Gefahr für Igel, die sich in Laubhaufen versteckt haben. Vor der Nutzung müssen Haufen immer mit einer Harke auf Igel überprüft werden.
  • Gefährliche Kanten: Gartenteiche mit steilen Rändern oder Lichtschächte und Gruben ohne Ausstiegshilfen werden zu Todesfallen, da Igel zwar gut klettern, aber nicht senkrecht aus glatten Wänden entkommen können.

Der Igel als Nützling: Ein Verbündeter im Ökosystem

Der Igel ist nicht nur schützenswert, sondern auch ein hochfunktionaler Verbündeter im naturnahen Gartenmanagement.

Der natürliche Speiseplan: Käfer, Larven und Schnecken

Der Igel ist ein reiner Fleischfresser, dessen Speiseplan Gärtner freuen sollte.

  • Schneckenkontrolle: Obwohl der Igel nicht alle Schnecken vertilgt, frisst er bevorzugt die Gehäuseschnecken, Käferlarven, Würmer und andere Insekten.
  • Ökologisches Gleichgewicht: Der Igel trägt zur Regulierung der Insektenpopulation bei und hält das Ökosystem auf natürliche Weise im Gleichgewicht.

Der Igelfreundliche Garten: Konkrete Rettungsmaßnahmen

Mit einfachen, oft passiven Maßnahmen kann jeder Gartenbesitzer zum Igelretter werden.

Das perfekte Winterquartier: Bauanleitung für das Igelhaus

Ein künstliches Igelhaus kann ein wichtiger Ersatz für fehlende natürliche Verstecke sein.

  • Standort: Das Haus sollte an einem ruhigen, windgeschützten Ort platziert werden, etwa unter einer Hecke oder einem Baum.
  • Befüllung: Das Innere wird mit trockenem Laub, Stroh oder zerknülltem Zeitungspapier befüllt. Der Igel erledigt den Rest des Nestbaus.

Die Futterstelle im Notfall: Was und wann füttern

Füttern ist nur im Spätherbst und nur bei untergewichtigen Tieren sinnvoll, da es die Igel sonst vom Winterschlaf abhält.

  • Wann füttern: Nur wenn ein Tier im November oder Dezember tagsüber herumläuft oder offensichtlich untergewichtig (unter 600 Gramm) ist.
  • Was füttern: Niemals Milch oder Essensreste. Optimal ist hochwertiges Katzen Nassfutter ohne Soße und Gelee oder ungewürztes Rührei. Eine Schale frisches Wasser ist essenziell.

Vorsicht im Frühjahr: Keine radikalen Aufräumarbeiten

Auch nach dem Winter ist Rücksichtnahme gefragt.

  • Ruhe bewahren: Beginnen Sie im Frühjahr nicht zu früh mit dem Entfernen von Laub und Reisig. Igel können bis in den April hinein im Winterschlaf verweilen. Warten Sie, bis die Außentemperaturen dauerhaft gestiegen sind.

Fazit: Ein kleines Wildtier braucht unsere Rücksicht

Der Herbst ist die Zeit der Entscheidung für den Igel. Sein Überleben hängt direkt davon ab, ob wir bereit sind, in unseren Gärten ein wenig Unordnung und Wildnis zuzulassen.

Indem wir auf Gifte verzichten, Laub und Reisighaufen stehen lassen und gefährliche Stellen im Garten sichern, schützen wir nicht nur den Igel, sondern auch uns selbst, indem wir einen wichtigen Verbündeten im Kampf gegen Schnecken und Insekten fördern. Jeder Garten kann mit minimalem Aufwand zu einem wichtigen Winterparadies für die stacheligen Helden werden.

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