WILDBLUMEN IM HERBST – DIE LETZTE RETTUNG FÜR BIENEN UND DIE GRUNDLAGE DES FRÜHLINGS SUMMENS

Die Überlebensrate von Bienenvölkern im Winter hängt direkt von der Qualität und Quantität der Nahrung ab, die sie im Spätsommer und Herbst sammeln können. Honigbienen benötigen massive Vorräte, um die monatelange Kälteperiode zu überstehen. Doch auch die Königinnen der Hummeln und die letzte Brut der Solitärbienen sind auf das Herbstfutter angewiesen, um die notwendigen Fettreserven anzulegen, die den Winterschlaf erst möglich machen. Die sogenannte Nektarlücke im Herbst ist die Hauptursache für das Sterben von bis zu 60 Prozent der Völker, bevor der Frühling beginnt. Jeder Quadratmeter mit späten Blüten wie Goldrute, Astern oder Disteln wird somit zu einem lebensrettenden Zufluchtsort und trägt maßgeblich zur Stabilität unserer Ökosysteme bei.

Wer jetzt aktiv einen wilden Herbstgarten gestaltet, investiert nicht nur in die Artenvielfalt, sondern sichert auch die Bestäubungsleistung und damit die Ernten des kommenden Jahres. Ein unaufgeräumter Garten voller Spätblüher ist kein Chaos, sondern eine hochfunktionale und unverzichtbare Notfallstation.

Der Biologische Imperativ im Herbst: Die Vorbereitung auf den Kälteschlaf

Die Nahrungsaufnahme im Herbst erfüllt für die verschiedenen Insektengruppen unterschiedliche, aber stets lebenswichtige Funktionen.

Die Winterbiene: Nährstoffspeicherung und das Fettpolster

  • Das Winterfutter: Für ein Honigbienenvolk ist die ausreichende Einlagerung von Honig im Stock essenziell. Es wird geschätzt, dass Bienenvölker rund 40 Kilogramm Honig benötigen, um ihren Energiebedarf über den Winter zu decken und die notwendige Stockwärme aufrechtzuerhalten.
  • Das Fettpolster: Noch wichtiger ist der Pollen. Die im Herbst geschlüpften Winterbienen müssen eine spezielle Drüse und ein sogenanntes Fettpolster aufbauen. Dieses Polster dient als Protein- und Energiereserve, die das Überleben der Biene von etwa sechs Wochen im Sommer auf mehrere Monate im Winter verlängert. Nur Bienen mit diesem Fettpolster sind in der Lage, das Volk durch den Winter zu bringen und die erste Brut im Frühjahr aufzuziehen.

Solitärbienen und Hummeln: Die letzte Brut und Nestverschluss

  • Hummelkönigin: Die jungen, begatteten Hummelköniginnen, die als Einzige den Winter überleben, müssen sich im Herbst satt fressen, um die Energiereserven für den Kälteschlaf im Boden aufzubauen.
  • Solitärbienen: Die letzte Brut der Solitärbienen muss im Spätsommer noch Pollen als Proviant für ihre Zellen sammeln. Die letzte Energie wird für den Verschluss des Nestes und die Sicherung der Larven benötigt, die im Frühjahr schlüpfen sollen. Spätes Pollenmaterial ist daher existenziell für die nächste Generation.

Die Nektarlücke: Warum der Herbst zur Hungerzeit wird

Der Mangel an Nahrung ist im modernen Landschaftsbild eine größere Bedrohung als Kälte oder Krankheit.

Der Verlust der Spätblüher in der Agrarlandschaft

  • Monokulturen: Die weiten, ausgeräumten Agrarflächen bieten nach der Ernte keine Nahrung mehr. Es fehlen Hecken, Feldränder und späte Wildkräuter, die früher das Nahrungsband bis in den Oktober hielten.
  • Mähtermine: Auch im Siedlungsraum werden Flächen oft zu früh oder zu häufig gemäht, wodurch späte Blüher gar nicht erst zur Entfaltung kommen können.

Die Überlebensrechnung: Futter ist Lebensversicherung

Die Rechnung ist eindeutig: Ohne die notwendigen Fett- und Honigreserven kollabiert das Bienenvolk lange vor dem Frühling durch Unterkühlung oder Verhungern. Jeder wilde Herbstgarten kann dieses kritische Defizit ausgleichen.

Die Retter am Wegesrand: Unverzichtbare Spätblüher

Einige Pflanzen sind wahre Kraftpakete an Nektar und Pollen und bilden die letzte Verteidigungslinie gegen den Hungertod.

Die Goldrute: Nektarreich bis in den Frost

  • Wert: Die Goldrute ist ein wahres Buffet für Bienen und andere Insekten. Sie blüht üppig und liefert eine außergewöhnlich reiche Nektarquelle bis weit in den Oktober hinein, oft sogar bis zum ersten leichten Frost.
  • Pflanzung: Wichtig ist die Verwendung von heimischen Sorten, um die Ausbreitung invasiver Arten zu vermeiden.

Astern und Sedum: Die Leuchtenden Farbinseln

  • Astern: Astern, insbesondere die Kissen Astern und die Herbst Astern, blühen üppig und bieten Nahrung, wenn fast nichts anderes mehr verfügbar ist. Ihre Blüten sind robust und widerstandsfähig gegen kühle Nächte.
  • Sedum Fetthenne: Die Fetthenne ist eine weitere unverzichtbare Staude. Ihre Blütenköpfe ziehen im Spätherbst zahlreiche Schmetterlinge an, die letzte Nektarvorräte suchen.

Efeu und Wegwarte: Die Unauffälligen Helfer

  • Efeu: Efeu blüht unauffällig, aber extrem spät, oft erst im Oktober und November. Sein Nektar ist für die späten Bienen von unschätzbarem Wert.
  • Wegwarte: Die Wegwarte ist eine robuste Wildpflanze. Ihre leuchtend blauen Blüten erscheinen spät und halten sich hartnäckig.

Die Wegwarte ist ein Beispiel für eine Wildpflanze, die oft am Wegesrand unbeachtet bleibt, aber eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten darstellt.

Disteln: Wertvoller Pollen

Disteln, oft als Unkraut missverstanden, sind hervorragende Spätblüher mit wertvollem Pollen, der heiß begehrt bei Wildbienen und Hummeln ist.

Der Wilde Garten: Konkrete Lebenshilfe für den Winter

Der wichtigste Beitrag zum Insektenschutz im Herbst ist die aktive Duldung von Unordnung und Wildheit.

Das Prinzip des Stehenlassens: Überwinterungsquartiere schaffen

  • Nicht alles abmähen: Lassen Sie wilde Ecken im Garten stehen. Ein Streifen mit hohem Gras, Disteln oder abgeblühten Wildblumen bietet nicht nur späte Nahrung, sondern dient auch als Schutz für Insekten.
  • Stehende Stängel: Verblühte Stängel von Stauden sollten den Winter über stehen bleiben. Sie dienen Insektenlarven, Eiern und Puppen als Überwinterungsquartier.

Nistmaterial und Schutz: Sand und Totholz im Herbst

  • Sand und Lehm: Legen Sie eine ungestörte Ecke mit sandigem oder leicht lehmigem Boden an. Viele Solitärbienen benötigen diese unbedeckten Flächen, um ihre Nester für das nächste Jahr zu bauen und die Winterruhe anzutreten.
  • Totholz: Ein kleiner Reisighaufen oder ein Stapel Totholz bietet Hummelköniginnen und anderen Insekten ideale, isolierte Verstecke für den Winterschlaf.

Chemie-Verzicht: Die Sicherung der letzten Nahrungsquellen

Der Verzicht auf jegliche Chemikalien, insbesondere auf Pestizide, ist jetzt doppelt wichtig. Die letzten Pollenquellen müssen unbelastet sein, damit die Insekten keine Gifte in ihre Fettpolster oder in den Stock eintragen.

Fazit: Ein Beitrag zur Biodiversität im Angesicht der Krise

Die Wildblumen im Herbst sind kein Chaos, sondern eine hochfunktionale und unverzichtbare Lebensversicherung für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Ihr Überleben hängt davon ab, ob wir bereit sind, unsere Gärten im späten Jahr ein wenig wilder und unaufgeräumter zu lassen.

Mit einfachen Handlungen – Astern und Goldrute pflanzen, Verblühtes stehen lassen und auf Chemie verzichten – kann jeder Gartenbesitzer Teil einer unsichtbaren Rettungskette werden. Die Rechnung ist einfach: Ein Garten mit Herbstblüten bedeutet die Rettung von Hunderten von Insektenarten und ist der Garant dafür, dass wir im Frühling wieder das unschätzbare Summen der Bestäuber hören werden. Dein Beitrag zählt direkt für die Biodiversität und die Stabilität der Natur.

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