Die Mission, die sich jeder Igel im Herbst stellt, ist klar definiert: Er muss mindestens 600 Gramm Körpergewicht erreichen und ein perfekt isoliertes Nest bauen. Dieser Prozess, das Igel Winterschlaf vorbereiten, ist eine biologische Höchstleistung. Der Winterschlaf selbst ist ein Zustand tiefgreifender metabolischer Verlangsamung, der nur mit ausreichendem Polster an weißem Fettgewebe funktioniert. Wer Igeln im Herbst helfen möchte, muss daher in erster Linie für ein reiches Nahrungsangebot und vielfältige, ungestörte Rückzugsmöglichkeiten sorgen. Ein naturnaher Garten, der Laub, Reisig und wilde Ecken zulässt, wird so zu einer lebensrettenden Wildtierhilfe.
Gerade die Jungtiere, die spät geboren werden und weniger Zeit haben, sich die notwendigen Reserven anzulegen, sind auf unsere Unterstützung angewiesen. Die Bereitstellung von sicheren Nistplätzen und gegebenenfalls einer Notfütterung kann den Unterschied zwischen Überleben und Erfrieren oder Verhungern ausmachen.
Die Biologie des Winterschlafs: Ein Überlebenstrick
Der Winterschlaf ist weit mehr als nur ein tiefer Schlaf. Er ist ein ausgeklügelter Überlebenstrick, der den Energieverbrauch des Igels auf ein Minimum reduziert.
Metabolische Verlangsamung: Herzschlag und Temperatur
Um die kalte, nahrungsarme Jahreszeit zu überbrücken, fährt der Igel seinen gesamten Organismus drastisch herunter.
- Temperatursturz: Die normale Körpertemperatur des Igels liegt bei etwa 36 Grad Celsius. Während des Winterschlafs fällt diese auf nur 5 bis 10 Grad Celsius ab. Diese drastische Senkung spart enorme Mengen an Energie.
- Reduzierte Frequenz: Der Herzschlag verlangsamt sich von den normalen 180 bis 200 Schlägen pro Minute auf nur noch etwa 2 bis 12 Schläge pro Minute. Auch die Atmung wird extrem reduziert.
- Aktivierung: Der Igel ist während des Winterschlafs nicht komplett regungslos. Er wacht etwa alle drei bis vier Wochen kurz auf, um Stoffwechselprozesse zu regulieren, Kot abzusetzen und gegebenenfalls die Isolation seines Nestes zu überprüfen. Diese Aufwachphasen verbrauchen einen Großteil der gespeicherten Fettreserven.
Die kritische Gewichtsgrenze: Warum 600 Gramm entscheiden
Das Körpergewicht vor dem Einwintern ist der wichtigste Faktor für die Überlebenswahrscheinlichkeit.
- Überlebensgewicht: Damit die Fettreserven ausreichen, um die Aufwachphasen und die Kälte zu überbrücken, sollte ein Igel vor dem Winterschlaf mindestens 600 Gramm wiegen. Leichtere Tiere haben deutlich schlechtere Chancen, den Winter zu überstehen.
- Fett als Treibstoff: Die im Herbst angefressenen Fettpolster dienen als reiner Energie Treibstoff. Die Qualität dieser Reserven hängt von der Verfügbarkeit hochwertiger, proteinreicher Nahrung im Herbst ab.
Zeitpunkt und Dauer des Winterschlafs
Der genaue Beginn und die Dauer des Schlafes sind wetterabhängig und variieren je nach Region und Geschlecht.
- Auslöser: Der Winterschlaf wird primär durch sinkende Temperaturen und schwindendes Nahrungsangebot ausgelöst. In Mitteleuropa beginnen die erwachsenen Männchen meist schon im Oktober, gefolgt von den Weibchen. Die Jungtiere schließen sich als Letzte an.
- Dauer: Der Schlaf dauert typischerweise zwischen drei und sechs Monaten. Er endet, wenn die Außentemperaturen dauerhaft über 10 Grad Celsius steigen und das Nahrungsangebot wieder verfügbar ist.
Der Gefährliche Herbst: Bedrohungen im modernen Garten
Der Wunsch vieler Gartenbesitzer nach Ordnung und Sauberkeit steht im direkten Konflikt mit den Überlebensbedürfnissen der Igel.
Die Falle der Ordentlichkeit: Der Kampf gegen Laub und Reisig
Ein aufgeräumter, von Laub befreiter Garten nimmt dem Igel seine lebensnotwendigen Baumaterialien und Verstecke.
- Natürliche Isolation: Igel bauen ihre Nester in dichten Laubhaufen, unter Hecken oder in Holzstapeln. Eine dicke Laubschicht bietet eine hervorragende Isolation gegen Frost und hält die Temperatur im Nest relativ konstant.
- Kahle Gärten: Aufgeräumte Flächen zwingen die Tiere, ungeschützte Nester zu bauen, die oft durchfrieren oder leicht von Fressfeinden entdeckt werden. Die Überlebensrate sinkt in aufgeräumten Gärten drastisch.
Die Unsichtbare Gefahr: Pestizide, Schneckenkorn und ihre Folgen
Der Igel ist ein reiner Fleischfresser, dessen Nahrungskette durch Gifte kontaminiert wird.
- Sekundärvergiftung: Der Igel frisst Schnecken, Insekten und deren Larven. Wer im Garten Schneckenkorn oder andere Insektizide einsetzt, vergiftet damit indirekt seine stacheligen Helfer.
- Nahrungsknappheit: Der Einsatz von Insektiziden reduziert zudem die natürliche Beute der Igel, was die notwendige Gewichtszunahme im Herbst erschwert oder unmöglich macht. Ein chemiefreier Garten ist daher die wichtigste Voraussetzung für den Igelschutz.
Technische und manuelle Gefahren: Rasenmäher, Laubsauger und Gruben
Die Hektik des Herbstputzes birgt akute Gefahren, die oft tödlich enden.
- Laubsauger und Häcksler: Sie stellen eine unmittelbare Bedrohung dar, da Igel in Laubhaufen Unterschlupf suchen. Die Saugkraft oder die Messer können die Tiere schwer verletzen oder töten. Vor der Nutzung von Geräten in Laubhaufen muss immer eine manuelle Kontrolle erfolgen.
- Gefährliche Kanten: Gartenteiche mit steilen, glatten Rändern oder tiefe Lichtschächte und Gruben ohne Ausstiegshilfen sind Fallen. Igel können nicht aus glatten Vertikalen entkommen und ertrinken oder verhungern.
Der Igelfreundliche Garten: Konkrete Rettungsmaßnahmen
Igeln im Herbst helfen erfordert aktive Rücksichtnahme und die Schaffung von Strukturen, die ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen.
Das perfekte Winterquartier: Bauanleitung für das Igelhaus
Wer Igeln einen sicheren Unterschlupf bieten will, kann ein Igelhaus bauen oder kaufen.
- Konstruktion: Ein Igelhaus sollte aus robustem, wetterfestem Holz oder Stein gebaut sein. Wichtig ist ein schmaler, abgewinkelter Eingang, um Katzen und Marder fernzuhalten. Die Maße der Eingangsöffnung sollten etwa 10 mal 10 Zentimeter betragen.
- Standort und Isolation: Das Haus sollte an einem ruhigen, schattigen und windgeschützten Ort platziert werden, etwa unter einer dichten Hecke. Das Innere wird großzügig mit trockenem Laub, Stroh oder Zeitungspapier gefüllt. Der Igel polstert sich sein Nest selbst optimal aus.
- Regelmäßige Reinigung: Das Igelhaus sollte nur einmal im Jahr, am besten im späten Frühjahr, gereinigt werden, nachdem der Igel definitiv ausgezogen ist.
Die Futterstelle im Notfall: Was und wann füttern
Füttern ist nur bei untergewichtigen oder kranken Igeln im späten Herbst oder Winter sinnvoll, da es sonst den Beginn des Winterschlafs verzögern kann.
- Wann füttern: Wenn ein Igel im November oder Dezember tagsüber herumläuft, sehr klein wirkt oder wenn die Temperaturen unerwartet unter den Gefrierpunkt fallen.
- Was füttern: Bieten Sie hochwertiges Katzen Nassfutter ohne Soße und Gelee an, da dies reich an Protein ist. Auch ungewürztes Rührei oder kurz angebratenes Hackfleisch ist geeignet. Niemals Milch, Obst oder menschliche Essensreste anbieten.
- Wasser: Eine Schale mit frischem Wasser ist jederzeit wichtiger als Futter.
Rückzugsräume schaffen: Laub, Reisig und Hecken
Die einfachste Hilfe ist die Erlaubnis zur Unordnung.
- Laubhaufen: Lassen Sie das Herbstlaub liegen, entweder unter Sträuchern oder in einem großen, ungestörten Haufen in einer Ecke.
- Reisighaufen: Ein lockerer Haufen aus Gartenabschnitten und Ästen bietet sowohl Nahrung für Insekten, die der Igel frisst, als auch ideale Überwinterungsplätze.
Der Igel als Nützling: Ein Verbündeter im Ökosystem
Der Igel ist nicht nur ein schutzbedürftiges Wildtier, sondern auch ein hochfunktionaler Verbündeter im naturnahen Gartenmanagement.
- Der Natürliche Speiseplan: Der Igel ernährt sich von dem, was viele Gärtner als Schädlinge betrachten: Schnecken, Käferlarven, Würmer, Tausendfüßler und Insekten. Er ist damit ein wichtiger Bestandteil des ökologischen Gleichgewichts.
- Schädlingskontrolle: Ein gesunder Igelbestand ist die beste biologische Schädlingskontrolle. Er hält die Populationen von Garteninsekten auf natürliche Weise in Schach und reduziert so die Notwendigkeit chemischer Eingriffe.
Fazit: Ein kleines Wildtier braucht unsere Rücksicht
Die Herbstzeit ist die entscheidende Phase für das Überleben der Igel in unseren Gärten. Ihre Fähigkeit, sich für den Winterschlaf zu wappnen, hängt direkt von unserer Großzügigkeit und unserer Bereitschaft zur Unordnung ab.
Igeln im Herbst helfen bedeutet, das Überleben der nächsten Generation dieser stacheligen Gartengäste zu sichern. Verzichten Sie auf Chemie, schaffen Sie geschützte Laubhaufen und bieten Sie notleidenden Tieren eine gesicherte Futterquelle und ein sicheres Igelhaus. Jeder naturbelassene Winkel in Ihrem Garten ist eine lebensrettende Wildtierhilfe für den Igel Winterschlaf vorbereiten.